Der erste Versuch eines Strafprozesses war gescheitert. Die 5. große Strafkammer des Landgerichts Duisburg hatte die Eröffnung eines Strafverfahrens abgelehnt, weil eine Verurteilung der Beschuldigten nicht sehr wahrscheinlich sei. Die Staatsanwaltschaft Duisburg und 40 Nebenkläger (2 zogen ihre Nebenklage zurück) haben sich dagegen gewehrt. Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat die Eröffnung des Strafverfahrens zugelassen mit diesem Argument:
Das Oberlandesgericht verwies dabei auf Entscheidungen der Oberlandesgerichte Stuttgart und Koblenz. (PDF-Datei).
Oberstaatsanwalt Uwe Mühlhoff wirft den Angeklagten schwere Planungsfehler vor, die zu einer rechtswidrigen Genehmigung der Loveparade geführt hätten. Die Veranstaltung hätte in der Form nicht genehmigt werden dürfen.
Bereits beim Auftakt des Prozesses ist klargeworden, die Verteidiger werden jedes Mittel zur Verteidigung nutzen. Vermutlich werden Sie den Verunglückten eine Mitschuld geben. Die Loveparade hatte ein reges Medieninteresse. Darum kennt man jetzt die damalige Berichterstattung. So schrieb RP-Online am 24. Juli 2017 das (PDF-Datei), (Link):
Seit 14 Uhr steigt die größte Party der Welt in Duisburg. Hunderttausende feiern fröhlich. Es gibt aber auch viele Jugendliche, die schon stark alkoholisiert sind, darunter viele junge Mädchen.
Zusammengekauert hockt Vanessa auf einem leeren Bierkasten in einem Gebüsch in der Nähe des Duisburger Hauptbahnhofes. Ihr kurzes, enges T-Shirt ist voller Flecken. Es stinkt nach Urin und Erbrochenem. Neben ihr liegt eine leere Flasche Wodka. Die 14-Jährige ist sturzbetrunken und nicht mehr ansprechbar. Die ohrenbetäubende Technomusik, die nebenan vom Loveparade-Gelände schallt, nimmt die 14-Jährige nicht mehr wahr.
Dann eilen ihr zwei Sanitäter zur Hilfe. "Nicht schon wieder", stöhnt einer, als er das Mädchen sieht. Sie ist nicht die erste Betrunkene, der die beiden Sanitäter an diesem Tag helfen müssen. "Wir hatten schon mehrere ähnliche Einsätze heute." Es ist erst kurz nach halb vier, die Loveparade hat erst vor 90 Minuten begonnen - für die 14-Jährige ist die Party vorbei.
Viele mit Alkohol in der Hand
Während auf dem Gelände des alten Güterbahnhofs Hunderttausende feiern, sind die Rettungskräfte im Dauereinsatz. Immer häufiger heulen in den Nachmittagsstunden die Sirenen der Rettungswagen. Die provisorischen Notfallzenentren, große Zelte, sind entlang der Wegstrecke zum Loveparade-Gelände aufgebaut.
Dort werden überwiegend Leichtverletzte mit Schnittwunden behandelt - so wie der 17-jährige Lars aus Dortmund, der barfuß in eine Glasscherbe getreten ist. "Bei uns liegen aber auch viele, denen ohnmächtig oder schwindelig geworden ist", sagt ein Rettungshelfer. "Die richtig schweren Fälle werden sofort in ein Krankenhaus gefahren."
Damit sind an diesem Tag meist stark alkoholisierte Jugendliche gemeint - und von denen gibt es bei der Loveparade viele. Die Straßen rund herum sind gesäumt von leeren Bier- und Alkopopflaschen, überall sind Jugendliche mit alkoholischen Getränken in der Hand zu sehen. "Wir wollen uns heute richtig weghauen", heißt es aus der Menge.
Die Rettungshelfer rechnen damit, dass ihre Arbeit erst so richtig in den Abendstunden beginnen wird. "Dann wird es bestimmt sehr viele alkoholisierte Jugendliche geben", sagt ein Sanitäter.
Vermutlich werden die Verteidiger dem Gericht Obduktionsbefunde der Verstorbenen als Beweise für das Eigenverschulden präsentiert mit einem besonderen Augenmerk auf den Alkoholgehalt im Blut.
Die Staatsanwaltschaft hat einen sehr schweren Stand. Planungsfehler ist keine Erklärung für das Unglück. Die wirksamste Methode, um Planungsfehler zu vermeiden, wäre das Verbot. Das Verbot der Loveparade aber auch das Verbot anderer Massenveranstaltungen, bei denen Menschen zu Schaden kommen können. Das Verbot von Weihnachtsmärkten, das Verbot von Silvesterpartys, das Verbot von Fußballspielen. Wenn es um die Sicherheit der Menschen geht, ist immer das gleiche Argument zu hören: Eine absolute Sicherheit gibt es nicht. Man kann bei der Planung und Genehmigung nur eine relative Sicherheit anstreben und dabei das normale Verhalten der Besucher einplanen. In einem Rechtsstaat ist es unmöglich, nur solchen Menschen die Teilnahme an einer Massenveranstaltung zu genehmigen, die keine Platzangst haben. Bei der Loveparade haben Menschen im Gedränge panisch reagiert und eine Massenpanik ausgelöst. Das krankhafte Verhalten einzelner Besucher konnte niemand einplanen.
Autor: Wilhelm Klumbies