Privatisierungen gefährden die Grundrechte

Gegen Privatfirmen können keine Verfassungsbeschwerden wegen Verletzung der Grundrechte erhoben werden

Karlsruhe, 7. Januar 2000. Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses gemäß Artikel 10 Absatz 1 Grundgesetz gilt weiterhin, aber seit der Privatisierung der Deutschen Bundespost zur Deutschen Post AG fühlt sich das Bundesverfassungsgericht nicht mehr als Hüter dieses Grundrechts.

Mit der Verfassungsbeschwerde vom 29.10.1999 hatte sich eine Kundin der Deutschen Post AG wegen Verletzung des Briefgeheimnisses an das Bundesverfassungsgericht gewendet. Ein Wertbrief ins Ausland war auf dem Postweg verloren gegangen. Die Deutsche Post AG war nur dann zur Auszahlung des angegebenen Wertes bereit, wenn die Postkundin angibt, was in dem Brief gewesen ist. Die Postkundin klagte beim Amtsgericht Bremerhaven gegen die Deutsche Post AG auf Zahlung des angegeben Wertes ohne Angabe des Inhalts. Das Amtsgericht Bremerhaven gab der Deutschen Post AG Recht, dass der Inhalt des Briefes anzugeben ist. Der Streitwert war sehr gering, so dass der Rechtsweg bereits mit der Klage vor dem Amtsgericht Bremerhaven ausgeschöpft und eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht zulässig war. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hatte (Aktenzeichen: AR 6347/99).

Als die Deutsche Bundespost für die Beförderung der Briefe zuständig gewesen war, gingen auch Wertbriefe verloren. Die Deutsche Bundespost hat den angegeben Wert des Wertbriefes ersetzt. Die Deutsche Bundespost achtete das Briefgeheimnis und fragte nicht nach dem Inhalt des Briefes.

Mit der Privatisierung der Post hat sich folgendes verändert: Die Postkundin konnte von der Privatfirma Deutsche Post AG nicht die Achtung ihrer Grundrechte verlangen, aber bei der Urteilsfindung hätte das Amtsgericht Bremerhaven das Briefgeheimnis beachten müssen. Jedoch hat die Deutsche Post AG das Amtsgericht Bremerhaven mit Erfolg auf die international geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen verweisen, dass alle Postunternehmen in der Welt im Falle des Verlustes von Wertbriefen nach dem Inhalt des Briefes fragen dürfen. Diese internationalen Geschäftsbedingungen gelten in allen Demokratien, Monarchien und Diktaturen, in die Briefe verschickt werden können. Sie galten auch zur Zeit der Deutschen Bundespost. Allerdings hat die Deutsche Bundespost bei der Anwendung der Geschäftsbedingungen das Grundgesetz beachtet und nicht nach dem Inhalt verloren gegangener Wertbriefe gefragt. Letztlich hatte sich die Deutsche Post AG mit ihrer Rechtsauffassung durchgesetzt, dass die Postkunden in der Bundesrepublik Deutschland sich so behandeln lassen müssen wie Postkunden in Diktaturen. Und das Bundesverfassungsgericht befand, dass es keine Aussicht auf Erfolg hat, sich im Streit mit der Deutschen Post AG darauf zu berufen, dass man nicht in einer Diktatur lebt.